WHO´S WHO - Persönlichkeiten in der Homöopathie
Melanie Hahnemann*02. Februar 1800 in Paris, †27. Mai 1878 in Paris
Die Tochter des Grafen Joseph d’Hervilly und dessen Ehefrau Marie-Joseph Gertrude Heilrath gehörte zu den ältesten Adelsfamilien Frankreichs. Streitigkeiten mit ihrer aufbrausenden Mutter führte dazu, dass sie mit 15 Jahren ihr Elternhaus verließ und in der Familie ihres Zeichenlehrers Aufnahme fand. Die gebildete junge Frau wurde eine erfolgreiche Malerin und Poetin.
Wegen verschiedener Krankheiten konsultierte sie den Arzt Dr. Frederick Hervey Foster Quin, einen bekannten britischen Homöopathen, der auf seinen Bildungsreisen auch in Leipzig bei Hahnemann studiert hatte. Zu seinen Patienten gehörte unter anderen der Prinz Leopold von Sachsen-Coburg, der spätere belgischen König. Melanie fand Zugang zu der 4. Ausgabe des Organon Hahnemanns aus dem Jahr 1829 und war fest entschlossen, den Verfasser dieses medizinischen Werkes kennen zu lernen und sich von ihm behandeln zu lassen. Im Oktober 1834 trafen die beiden zum ersten Mal aufeinander und die Marquise war von Hahnemanns Wesen und seinen umfassenden Kenntnissen der Heilkunst fasziniert.
Zwischen ihr und dem seit vier Jahren verwitweten Hahnemann entwickelte sich eine ernsthafte Liebesbeziehung. Der gewaltige Altersunterschied war, nach anfänglichen Bedenken Hahnemanns, kein Hinderungsgrund für die tiefe Zuneigung zwischen den beiden. Heimlich heirateten der 79-jährige Hahnemann und die 34 Jahre jüngere Melanie ohne den Segen der Kirche am 18. Januar 1835. Die Heirat erregte in Köthen gewaltiges Aufsehen.
Das Paar zog nach Paris und eröffnete dort im August 1835 eine homöopathische Praxis. Melanie, die sich inzwischen zu einer guten Homöopathin entwickelt hatte und von Hahnemann gern und nach Kräften gefördert wurde, kümmerte sich um die Armen, die sie kostenlos behandelte. Sie heilte zum großen Erstaunen ihres Mannes bald schon ernste Krankheitsfälle und erkannte selbst schwierig zu diagnostizierende Symptome. Hahnemann führte ihre Erfolge bescheiden auf ihre Kontakte zu Dr. Constantin Hering zurück, einem weiteren Pionier der homöopathischen Heilkunst.
Ihre erfolgreiche und anerkannte Zusammenarbeit währte bis zum April 1843. Kurz nach seinem 88. Geburtstag erkrankte Hahnemann und starb im Juli dieses Jahres. Vor seinem Tod übergab er seiner Frau die Praxis und seine Aufzeichnungen für die noch nicht veröffentliche 6. Ausgabe des Organon. Hahnemann verfügte, dass sie dieses Buch erst veröffentlichen solle, „wenn die Welt dafür reif sei.“
Die Pariser Ärzteschaft verübelte ihr, dass sie sich nach Hahnemanns Tod anmaßte, seine Praxis weiter zu führen. Eifersüchtig waren sie auch auf die Heilung der Fälle, die sie selbst zuvor verpfuscht hatten.
Obwohl Melanie bei ihrer Arbeit in der Praxis von zwei Ärzten und einem Apotheker unterstützt wurde, obwohl ihr zwischenzeitlich durch ein Diplom der amerikanischen „The Allentown Academy of The Homeopathic Healing Art“ ihre Befähigungen bestätigt wurden und obwohl viele einflussreiche Freunde und prominente Patienten protestierten, wurde sie wegen mangelnder Qualifizierung zur Ausübung eines medizinisch-pharmazeutischen Berufs verurteilt und erhielt ein Praxisverbot. Fast 25 Jahre lang behandelte sie ihre Patienten heimlich, ohne dass etwas gegen sie unternommen wurde, bis ihr 1872 die Erlaubnis erteilt wurde, medizinisch tätig zu sein.
Die Folgen des preußisch-französischen Kriegs brachte sie um ihre Rücklagen. Dennoch widerstand sie dem Drängen ihres Schwiegersohns, Bönninghausen dem Jüngeren, die sechste und letzte Fassung von Hahnemanns Organon der Heilkunst zu veröffentlichen. Das Werk, nach Melanies Tod im Besitz der Familie Bönninghausen, wurde erst 1921 von Dr. Richard Haehl erworben, der es unvollkommen übersetzte und herausgab.
Melanie Hahnemann starb am 27. Mai 1878 und wurde an der Seite ihres Gatten auf dem Montmartre beigesetzt. Von dort wurde sie 1898, zusammen mit Samuel Hahnemann nach dem Pariser Friedhof Père Lachaise umgebettet.
Das Bild, das sich die Gesellschaft einst von Melanie Hahnemann machte, dass sie sich im Lichte des Ruhmes eines berühmten Mannes sonnen wolle und nur auf eine gehobene gesellschaftliche Stellung spekuliere, musste schon bald revidiert werden. Sie war nicht nur für Hahnemann eine liebende Ehefrau, eine perfekte Partnerin, eine Gefährtin, die ihn inspirierte und antrieb, seine wissenschaftliche Arbeit zu intensivieren, sondern darüber hinaus eine erfolgreiche Homöopathin, die aus eigener medizinischer Kenntnis heraus handelte und beachtliche Heilerfolge erzielte.